English: Construction Industry / Español: Industria de la Construcción / Português: Indústria da Construção / Français: Secteur du Bâtiment / Italiano: Settore Edile
Baugewerbe bezeichnet im Umweltkontext den Wirtschaftszweig, der sich mit der Errichtung, dem Umbau, der Instandhaltung und dem Abriss von Bauwerken beschäftigt. Es umfasst alle Bauaktivitäten im Hoch- und Tiefbau sowie im Straßen- und Wasserbau. Im Mittelpunkt der umweltbezogenen Betrachtung steht die erhebliche Ressourcennutzung, der Energieverbrauch sowie die Umweltbelastungen, die das Baugewerbe verursacht, aber auch die Potenziale für nachhaltiges und umweltfreundliches Bauen.
Allgemeine Beschreibung
Das Baugewerbe zählt zu den ressourcenintensivsten Branchen weltweit. Es verbraucht rund 50 % der weltweit geförderten Rohstoffe und ist für etwa 38 % der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich (Stand 2022). Zu den verwendeten Materialien gehören Beton, Stahl, Glas, Kunststoffe und zahlreiche natürliche Ressourcen wie Sand, Kies und Holz. Gleichzeitig entstehen erhebliche Mengen an Abfall – Schätzungen zufolge stammen in der EU bis zu 35 % des gesamten Abfalls aus der Bau- und Abbruchwirtschaft.
Im Umweltkontext wird das Baugewerbe zunehmend kritisch betrachtet, da es in großem Umfang zur Bodenversiegelung, zum Flächenverbrauch und zur Zerstörung natürlicher Lebensräume beiträgt. Die Produktion von Baustoffen wie Zement ist äußerst energieintensiv und trägt erheblich zur Emission von Treibhausgasen bei. Zudem sind Bauprozesse mit Lärm, Staub und Abwasserbelastungen verbunden.
Seit den 1990er Jahren gibt es jedoch verstärkte Bestrebungen, das Baugewerbe nachhaltiger zu gestalten. Dazu gehören energieeffiziente Bauweisen, die Nutzung umweltfreundlicher Materialien und der Rückbau alter Gebäude mit gezieltem Recycling von Baumaterialien. Politische Instrumente wie die europäische Bauproduktenverordnung und Standards wie die ISO 14001 oder die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) fördern umweltbewusstes Bauen.
Spezielle Aspekte des Baugewerbes im Umweltbereich
Ein wichtiger Aspekt des Baugewerbes ist das Konzept des "grünen Bauens" (Green Building). Hierbei stehen Energieeffizienz, Ressourcenschonung und eine gesunde Innenraumluftqualität im Mittelpunkt. Nachhaltiges Bauen integriert erneuerbare Energien, effiziente Heiz- und Kühlsysteme sowie Bauweisen, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigen – von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling.
Ein weiteres Feld ist der Urban Mining-Ansatz: Dabei wird die Stadt als Rohstofflager betrachtet, in dem Materialien wie Beton, Metalle oder Kunststoffe gezielt zurückgewonnen und wiederverwendet werden. Auch die Kreislaufwirtschaft spielt im modernen Bauwesen eine immer größere Rolle.
Anwendungsbereiche
- Nachhaltiges Bauen: Planung und Umsetzung energieeffizienter und ressourcenschonender Gebäude, oft zertifiziert durch Labels wie Passivhaus, LEED oder DGNB.
- Ökologische Baustoffe: Einsatz von recycelbaren oder natürlichen Materialien wie Lehm, Holz, Hanf oder Schafwolle.
- Energieeffiziente Gebäudetechnik: Nutzung erneuerbarer Energien, wie Solar- oder Geothermieanlagen, sowie intelligente Steuerungssysteme zur Reduktion des Energieverbrauchs.
- Kreislaufwirtschaft im Bauwesen: Rückbau und Recycling von Baustoffen zur Minimierung von Abfall und Ressourcenverbrauch.
- Flächenrecycling: Umnutzung und Renaturierung brachliegender Flächen zur Vermeidung neuer Flächenversiegelung.
- Gründächer und Fassadenbegrünung: Förderung der Biodiversität und Verbesserung des Mikroklimas in urbanen Räumen.
Bekannte Beispiele
- EDGE East Side Tower (Berlin): Ein nachhaltiges Hochhaus mit Fokus auf Energieeffizienz und Nutzung von Recyclingmaterialien.
- Holzhochhaus HoHo Wien (Österreich): Eines der höchsten Holzhochhäuser der Welt, das weitgehend aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut wurde.
- EnergiePlus-Häuser: Gebäude, die mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen, zum Beispiel durch Photovoltaikanlagen.
- Cradle to Cradle-Bauweise: Konzepte, bei denen Gebäude vollständig recycelbar geplant werden, etwa durch sortenreine Trennung von Materialien.
- Urban Mining-Projekte in Deutschland: Systematischer Rückbau alter Gebäude zur Gewinnung und Wiederverwendung von Baustoffen.
Risiken und Herausforderungen
- Hoher Ressourcenverbrauch: Das Baugewerbe benötigt große Mengen an Rohstoffen und Energie, was zu Umweltzerstörung und CO₂-Emissionen führt.
- Bodenversiegelung: Bauprojekte zerstören natürliche Lebensräume, verschlechtern die Bodenqualität und fördern Überschwemmungen.
- Abfallaufkommen: Bau- und Abbrucharbeiten erzeugen große Mengen an nicht wiederverwertbaren oder schadstoffbelasteten Abfällen.
- Kosten nachhaltiger Bauweisen: Umweltfreundliches Bauen ist oft mit höheren Anfangsinvestitionen verbunden, was die Umsetzung erschwert.
- Regulatorische Komplexität: Unterschiedliche Normen, Vorschriften und Zertifikate machen nachhaltiges Bauen komplex und aufwendig.
- Klimawandel: Extremwetterereignisse stellen neue Anforderungen an die Bauweise und Baumaterialien hinsichtlich ihrer Widerstandsfähigkeit.
Ähnliche Begriffe
- Nachhaltiges Bauen: Bauweise, die Umwelt, Wirtschaftlichkeit und soziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt.
- Green Building: Gebäude mit geringem Energieverbrauch und minimalen Umweltauswirkungen.
- Urban Mining: Rückgewinnung von Baustoffen aus bestehenden Gebäuden und Infrastrukturen.
- Circular Economy im Bauwesen: Konzept der Kreislaufwirtschaft zur Wiederverwendung und Recycling von Baustoffen.
- Baubiologie: Lehre vom gesunden, umweltgerechten und nachhaltigen Bauen und Wohnen.
Zusammenfassung
Das Baugewerbe ist im Umweltkontext ein ressourcenintensiver, aber unverzichtbarer Wirtschaftszweig, der maßgeblich zur Umweltbelastung beiträgt. Gleichzeitig bietet es enormes Potenzial für nachhaltige Entwicklung, etwa durch ressourcenschonende Bauweisen, energieeffiziente Gebäude und Recyclingmaßnahmen. Die Zukunft des Baugewerbes liegt in der Verbindung von technologischem Fortschritt und ökologischer Verantwortung.
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